Mit dem Zweiten sieht man besser – Das ZDF-Sendezentrum auf dem Lerchenberg

Hoch oben über der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt ragt eine Hochhausscheibe aus den Bäumen hervor. An ihrer Stirnseite prangt das unverkennbare orangefarbene Signet des Zweiten Deutschen Fernsehens, welches das Hochhaus als Standort des Senders markiert. Sowohl in Mainz als auch in weiten Teilen des Rhein-Main-Gebiets ist das Sendezentrum dank dieser Landmarke zu sehen.

Als zum Ende der 1950er Jahre der Ruf nach einem zweiten deutschen Fernsehsender laut wurde, fiel die Wahl des Standorts auf Mainz. Dort wurde dann 1962 zum vermeintlichen 2000-jährigen Stadtjubiläum die Siedlung Lerchenberg vor den Toren der Stadt angelegt und ein 1-Quadratkilometer großes Areal dem ZDF zugewiesen. Zu dieser Zeit war der Sender bereits in Betrieb, er war jedoch in mehreren Provisorien in der Mainzer Innenstadt, in Wiesbaden und in Eschborn bei Frankfurt untergebracht. Durch die heutige Konzentration aller für den Sendebetrieb notwendigen Abteilungen auf dem Lerchenberg, ist das ZDF das größte Medienzentrum seiner Art in Deutschland.

Die Mainzer:innen sind stolz darauf, diese Institution in ihrer Stadt zu haben und dennoch haben viele von ihnen das Gelände noch nie selbst betreten. Strenge Sicherheitskontrollen an der Pforte sind der Grund dafür, dass viele Mainzer:innen bis auf den bekannten Fernblick wenig bis nichts von dem spannenden Sendegelände kennen.

Doch das Hochhaus als Stadt-Krone ist erst Jahre später als Teil eines zweiten Bauabschnitts auf dem ZDF-Gelände entstanden. 1974 von dem Mainzer Architekten Heinz Laubach entworfen, bildet es wortwörtlich den Höhepunkt dieses Bauabschnitts. Ohne jegliche äußerliche Hierarchisierung laufen abwechselnd Fenster- und Brüstungsbänder rings um das Gebäude. Das eloxierte, golden schimmernde Aluminium der Fassadenplatten und der tiefblaue Ton der Sonnenschutzverglasung bilden ein aufregendes Farbspiel. Zwei freistehende Treppentürme mit grauer Travertin-Verkleidung rahmen die Hochhausscheibe.

In der obersten Etage genießt der Intendant den Blick über die Landeshauptstadt und über Rheinhessen. Sowohl das Hochhaus als auch das angrenzende Kasinogebäude sind besonders in den repräsentativen Bereichen mit namenhaften Kunstwerken ausgeschmückt. Unter anderem ist im obersten Stockwerk des Hochhauses das einzige Werk Joseph Beuys‘ in Mainz zu bestaunen.

Im Zentrum des Geländes liegt der sogenannte Platz der Köpfe – eine Art Forum mit fünf überlebensgroßen Köpfen aus COR-TEN-Stahl von dem Künstler Horst Antes.

Direkt dahinter befindet sich das Sendebetriebsgebäude, in dem unter anderem der Großteil der Studios untergebracht ist. Mit seiner Eröffnung 1984 wurden der Sendebetrieb in Mainz aufgenommen und die Provisorien in Wiesbaden und Umgebung endgültig abgeschafft. Die hochkomplexe Fernsehtechnik macht das Gebäude zu einem wahren Technik-Monster. Der Bau setzt sich aus mehreren runden Formen zusammen, die wie ineinandergeschoben wirken. Radial scheinen die Gebäudeteile um die drei Studios zu zirkulieren. Sie sind mit bunten Aluminiumplatten in warmen Erdtönen – von Rot über Orange, Ocker und Gelb bis hin zu einem bräunlichen Grün – ausgestattet. Durch seine futuristische Form und die bunte Farbigkeit wirkt der Bau wie ein Ufo, das gerade gelandet ist.

Bei einem Besuch auf dem ZDF-Gelände sollte jedoch nicht nur auf die Architektur, sondern auch auf die Landschaftsplanung geachtet werden, die eine kleine Zeitreise in die 1970er Jahre darstellt. Von dem bedeutenden Freiraumplaner Walter Rossow entworfen, gruppieren sich Platanen um kleine Plätze und geometrische Konstellationen aus Beeten und Sitzgelegenheiten bieten einladende Aufenthaltsräume im Freien. Streng geometrische Wegeverbindungen wechseln sich mit organischen ab, die sich durch die Grünanlagen schlängeln.


An verschiedenen Stellen, stets bedacht und in den entsprechenden Sichtachsen positioniert, sind große raumgreifende Kunstwerke aufgestellt. Die „Landmarke“ und die „Mainzer Wabe“ beispielsweise, beide ebenfalls aus den 1970er Jahren, sind besonders in Verbindung mit dem Hochhaus enorm eindrucksvoll.

Seit den 1960er Jahren hat sich das ZDF-Gelände wie im Zeitraffer stets weiterentwickelt; neue Bauten sind hinzugekommen, die alle ein für ihre Entstehungszeit ganz typisches Erscheinungsbild aufweisen. Der Mediencampus kann wie ein Freilichtmuseum für die Architektur und Raumplanung der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts betrachtet werden und ist in jedem Fall einen Besuch wert.

Mehr zum ZDF-Sendezentrum lesen Sie in unserem Buch „Mainz 1945-70. Die verkannte Epoche des Wiederaufbaus“.

von Robinson Michel