Mainzer Wohnmaschinen – Die Hochhäuser in der Elsa-Brändström-Straße

„Leben im Betonklotz“ war der Titel einer SWR-Dokumentation über die Siedlung der Elsa-Brändström-Straße in Mainz 2020. Die Geschichte der „Elsa“, wie sie meist genannt wird, ist aber nicht nur eine von Beton und großen Bauprojekten der 1970er Jahre, sondern auch eine von innovativen Wohnkonzepten, beeindruckender Architektur und sozialem Zusammenhalt.

Der Pariser Architekt Marcel Lods, den die französische Besatzungsmacht mit dem Wiederaufbau der Stadt nach dem Zweiten Weltkrieg beauftragt hatte, plante ein neues „Mayence“ mit großen Scheibenhochhäusern. Dieses Konzept scheiterte jedoch an der stolzen Mainzer Bevölkerung – stattdessen wurde auf einen Ausbau der Vororte gesetzt. So entstand neben der „Römerquelle“ in Finthen auch die Siedlung „Diana am Wildpark“ in Gonsenheim. Die Herkunft des Namens „Diana am Wildpark“ ist ungeklärt – heute ist die Bezeichnung „Elsa“ geläufiger. Sie bezieht sich auf die Lage in der Elsa-Brändström-Straße, benannt nach einer schwedischen Philanthropin.

© Thomas Bartsch

Als Lösung für den Bevölkerungsanstieg nach dem Zweiten Weltkrieg wurden deutschlandweit mancherorts ganze Wohnstädte errichtet – sogenannte Satelliten- oder Trabantenstädte, die nahezu ausschließlich der Wohnunterbringung der Bevölkerung dienten. Diese blieben dabei sowohl wirtschaftlich als auch kulturell komplett abhängig von den Großstädten, da sie oft über eine schlechte soziale, schulische und gesundheitliche Versorgung verfügten und kaum Arbeitsplätze boten.

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Die Folgen waren soziale Isolation, Ghetto-Bildung und eine hohe Kriminalitäts- und Arbeitslosenrate. Deutlich erfolgreicher waren weitestgehend autarke neue Stadtteile, die über eine eigene infrastrukturelle Versorgung verfügten. Auch die Elsa hat eigene Grün- und Freizeitflächen, Einkaufsmöglichkeiten, Kinderbetreuung und Gastronomie. Damit ist trotz der Abhängigkeit zur Mutterstadt Mainz innerhalb der Siedlung eine Bereitstellung gewisser Lebensstandards gewährleistet.

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Neben einigen Mehrfamilien- sowie Reihenhäusern wurden ab 1969 innerhalb von zehn Jahren drei große Hochhauskomplexe errichtet, zwischen denen sich die Elsa-Brändström-Straße hindurchschlängelt. Die Planung wurde von dem Büro Speerplan aus Frankfurt vorgelegt und sah ursprünglich noch ein viertes Hochhaus vor. Erst zu einem späteren Zeitpunkt wurde dieses Vorhaben verworfen. Die Hochhäuser sind als sogenannte Ketten- oder Scheibenhochhäuser angelegt und in ihrer Höhe gestaffelt. Mit bis zu 23 Stockwerken gehören sie zu den höchsten Bauwerken in Rheinland-Pfalz.

Die Planung sieht vor, dass aus jedem der drei Hochhäuser der Blick ins Grüne möglich ist. Dieses Prinzip lehnt sich an den Entwurf der Ville Radieuse von Le Corbusier und die kurze Zeit später entwickelte Charta von Athen (1933) an.

Auch das Gestaltungsmotiv der Stützen („Pilotis“), die das darüberliegende Gebäude tragen, geht auf die Theorien französisch-schweizerischen Architekten Le Corbusiers zurück. Damit sind die Elsa-Hochhäuser ein Sinnbild des modernen Hochhauswohnungsbaus im 20. Jahrhundert.

Die Wohnungen besitzen unterschiedliche Grundrisstypen, die aufgrund der Fertigteil-Bauweise wie ein Baukastensystem aneinandergereiht und übereinandergestapelt werden konnten. Bis heute besitzen die Grundrisse eine enorme Qualität und erfreuen sich daher nach wie vor großer Beliebtheit.

Nachdem zunächst viele in Mainz stationierte Amerikanische Streitkräfte in der Elsa lebten, bevölkern inzwischen Menschen verschiedenster Herkunft die Hochhausriesen und sorgen für ein in Mainz einzigartiges Zusammenleben unterschiedlichster Kulturen.

Wer Urbanität im oft als Provinz-Hauptstadt verschmähten Mainz spüren möchte oder sich für Architektur und Wohnungsbaukonzepte der 1970er Jahre interessiert, sollte der Elsa unbedingt einen Besuch abstatten!

von Robinson Michel

Ab dem 11. April ist im Stadtteiltreff Gonsenheim die Ausstellung „Bezahlbarer Wohnraum – aber wie?“ der Friedrich-Ebert-Stiftung in Zusammenarbeit mit dem DGB zu sehen. Im Rahmen der Ausstellung finden am 20. April um 19 Uhr eine Diskussionsrunde zur Zukunft von Wohnhochhäusern mit Beteiligung der Betonisten statt.