Unser Garten am Fluss – Rheinufergestaltung von Gottfried Kühn

Es ist Freitag, 10 Uhr und die Sonne an diesem Frühlingstag im März hat schon richtig viel Kraft. Wir stehen am Fischtorplatz und checken nochmal die Einstellungen unserer Kameras. Denn heute wollen wir erkunden, weshalb das Rheinufer zwischen Fischtorplatz und Malakoff-Terrasse so beliebt ist bei den Mainzerinnen und Mainzern!

Über einen halben Kilometer lang erstreckt sich die Gartenanlage auf der Höhe des Lauteren-Viertels. Der Hauptweg mäandert gesäumt von Platanen entlang an Rasenflächen, Beeten und Plätzen – ein eindeutiger Aufruf zur Entschleunigung!

Anstelle einer abfallenden Grünfläche – einer Rheinwiese wie am Winterhafen – teilte der Landschaftsarchitekt Gottfried Kühn den Bereich in mehrere Ebenen auf, die er miteinander über Treppen verband. Daraus ergeben sich vielfältige Wegeverbindungen zum Schlendern, jedoch mit der Möglichkeit die Gartenanlage auch auf direktem Weg zum Rhein hin zu durchschreiten.
Kühn beabsichtigte mehrere Aufenthaltsszenarien mit Blickbeziehungen sowohl auf den Rhein als auch in die Grünanlage selbst zu gestalten. So ließ er verschiedene Raumsituationen entstehen, die er mit entsprechender Bepflanzung und Sitzbänken fasst. Auf den Zwischenebenen zum Rhein hin erzeugt er durch die leichte Abstufung und alternierende Bepflanzungen offene, aber gleichzeitig auch intime Aufenthaltsmöglichkeiten für Familien und kleine Gruppen. Anders als bei einer Promenade oder auch dem Hauptweg kann man sich dort wirklich für längere Zeit aufhalten, ohne dass man Gefahr läuft, anderen im Weg zu stehen.

Für jede Jahreszeit sah der Landschaftsarchitekt ein Farbschema der Blumen, Sträucher und Bäume vor. Doch ist der Frühling und insbesondere der Mai das Highlight. Dann treiben die Knospen aus und helles, frisches Grün sprießt überall hervor. Auf den großen Rasenflächen liegen junge Leute in der Sonne oder picknicken und auch bei Yoga-Gruppen ist die beruhigende Atmosphäre beliebt. Hier lässt sich wunderbar die Zeit in der Sonne verbringen und dem Rauschen der Blätter lauschen.

An den drei ehemaligen Toren der Stadtmauer aus dem 19. Jahrhundert öffnen sich größere Plätze, die den Toren ihre berechtigte Resonanzfläche bieten. Hier finden sich nicht nur regelmäßig Tai-Chi-Gruppen am frühen Morgen ein, sondern auch Weinstände, Eis- und Kaffeewagen sind auf den Plätzen oft anzutreffen.

Zum Rhein hin bilden die Plätze Terrassen aus, die wie Bastionen aus der Gartenanlage an der Unteren Uferstraße hervorragen. Mit ihrem roten Sandstein heben sie sich ab von den leicht geneigten Mauern und dem Bodenpflaster aus Waschbeton.

Den Dreiklang der Materialien vervollständigt das Eisengeländer, das sich filigran, aber wirkungsstark über rund 300 Meter erstreckt. Flachstahlstäbe mit einem leichten Knick am oberen Ende wurden in lichter Weite von rund 15 cm auf die Unterkonstruktion geschweißt. Mit diesen einfachen Mitteln entsteht ein markantes Schattenspiel, das dem Geländer eine kunstvolle Leichtigkeit verleiht – und ein hervorragendes Fotomotiv hergibt.

Waschbeton, Sandstein, Eisengeländer, Mobiliar und natürlich die Bepflanzung bilden eine Harmonie, bei der keines das andere dominiert. Hier finden Spielplätze ebenso ihren Platz wie die Rheinufergalerie mit einer Reihe hochwertiger Plastiken.

Da die Stadt die Gartenanlage bis heute gut pflegt, ist sie erfreulicherweise noch Größtenteils in originalem Zustand und damit ein authentisches Zeugnis der Landschaftsarchitektur der 1960er Jahre – quasi ein Designklassiker „Original Sixties“!

Von Rheinwiesen über Freitreppen bis zur klassischen Promenade bietet das Rheinufer entlang des Stadtgebiets vielfältige Aufenthaltsräume. Der Rheinuferabschnitt zwischen Fischtor und Winterhafen ist für uns aber der schönste Platz am Rhein! Dass wir mit dieser Meinung nicht alleine sind, merken wir auch an diesem Frühlingstag im März, an dem alle Sitzgelegenheiten in der Sonne schon am Vormittag besetzt sind. Ob Yoga auf der Wiese, Kinder auf den Spielplätzen, Pärchen auf der Picknick-Decke, Jogger, Lesende, Treffpunkt für Freunde oder wir Flaneure auf unserem Erkundungsgang, das Kühn’sche Rheinufer ist unser Garten am Fluss – der Ruhepol zum Trubel der Innenstadt.
Hervorgegangen ist die 1964 fertiggestellte Grünanlage aus einem Wettbewerb, den der damals schon renommierte Landschaftsarchitekt Gottfried Kühn 1961/62 für sich entscheiden konnte.

Dieses Jahr jährt sich nicht nur sein Tod zum zwanzigsten Mal, wir feiern auch seinen 110. Geburtstag – herzlichen Glückwunsch und vielen Dank für Deine Gartenanlage am Rhein in unserem schönen Mainz!

von Maximilian Kürten